
Von der Leipziger Regionalgruppe der Stiftung der deutschen Wirtschaft wurden Jenny Moczigemba und ich eingeladen über das Thema Tantra und wahre menschliche Verbindung zu sprechen.
Wow! Dachten wir uns und machten uns bereit für diese Challenge. Es ist einfach nochmal was anderes vor eingefleischten Yogis und Spiri Souls über diese Themen zu sprechen, als vor einem Kongress, indem Doktoranden und wissenschaftsverliebte Studenten normalerweise über den Mehrwert einer Sache diskutieren.
Ich muss gestehen wir waren entsprechend aufgeregt. Was wenn irgendwelche wissenschaftlichen Fragen gestellt werden, die wir nicht beantworten können? Und was qualifiziert uns überhaupt über solche Themen zu sprechen? …nun ja als Therapeuten wissen wir schon ein bisschen was über menschliche Verbindung und Tantra ist schließlich die Wurzel des Yoga, wie er heute überall im Westen praktiziert wird. Also los geht’s
Was hat es denn nun auf sich mit dieser Tinder App?
Der ganze Abend war super durchdacht und von den Organisatoren gut aufgebaut.
Zunächst wurde das Phänomen Tinder thematisiert, indem eine kleine Performance den etwas oberflächlichen Charakter der Dating App skizzierte. Eine Umfrage, die ausgewertet wurde, zeigte jedoch, dass auch Beziehungen aus dieser Dating Plattform hervorgegangen sind. Generell ging es ja nicht darum zu sagen, Tinder ist schlecht und Tantra ist toll, sondern vielmehr darum eine Entwicklung an Tiefe in der Erfahrungsebene aufzuzeigen.
Und warum jetzt Kuschelparty?
Eine der Studentinnen hatte sich extra zu Forschungszwecken am Tag zuvor auf eine Kuschelparty eingeschlichen, um dann einerseits über ihre Erfahrungen zu berichten und andererseits auch die Gruppe durch ähnliche Wahrnehmungsübungen hindurchzuführen. Als Kontrast Programm zu Tinder ist so eine Kuschelparty ja doch eher sehr direkt. Viele der Studenten machten interessante Beobachtungen bei sich selbst z.B ab welchem Abstand zu ihrem Gegenüber sie sich unwohl fühlen und wie schwer es ist zu komunizieren welche Berührung angenehm ist und welche nicht.
Ganz klar geht es hierbei natürlich auch um den guten Kontakt zu sich selbst. Denn je mehr ich mich selbst kenne und weiß was mir gefällt, je einfacher fällt es mir auch dies anderen Menschen mitzuteilen.
Was bedeutet Tantra?
Durch die Kuschelparty waren alle sozusagen schon ein bisschen aufgewärmt und Jenny und ich hatten also eine gute Voraussetzung um mit unserem kleinen Vortrag über Tantra die Menschen zu berühren.
Der Hatha Yoga entstand aus dem prägenden Einfluss des Tantra, als Reaktion auf die von den Veden und Upanishaden gelehrten Praktiken der Entsagung. Die Kernvorstellung des Tantra ist, dass das gesamte Universum Ausdruck des Göttlichen ist. Die Silbe „Tan“ bedeutet „ weit“ oder „ganz“. Das gesamte Spektrum menschlicher Erfahrung kann genutzt werden um sich mit dem Göttlichen zu verbinden. Das gesamte Sein wird als Ausdruck der göttlichen weiblichen Energie „ Shakti“ betrachtet. Natürlich wird demzufolge der Körper ebenso als Tempel des Göttlichen gesehen und respektvoll gewürdigt.
Das Schöne daran ist, wir können immer mitten im Göttlichen verweilen, auch wenn wir uns in einer Situation befinden, die durch und durch weltlich ist. Es wird nicht unterschieden zwischen „rein“ und „unrein“ jede Erfahrung hat das Potential zur Einheit zu führen. Die männliche Energie „ Shiva“ und die weibliche Energie „Shakti“ sind in Wirklichkeit Eins – im Körper im Geist und im Herzen.
Tantra als Wurzel des Hatha Yoga
Die tantrischen Wurzeln des Yoga leuchten mir immer mehr ein, je länger ich praktiziere.
Es beginnt mit Ahimsa – der Gewaltlosigkeit sich selbst gegenüber und geht weiter mit der Selbstliebe und Selbstachtung. Das „Ja“ zum Leben auf dieser Erde mit allen sinnlichen Erfahrungen in unserem Körper. Das lustvolle sich selbst spüren, wenn der Atem im Einklang mit der Bewegung ist, kommt einem Gebet gleich und ist doch so physisch. Diese Hinwendung zum Physischen, hat etwas sehr ehrliches. Wir müssen nichts mehr verleugnen oder verdammen, um uns dann einer höheren, transzendenten Macht hinzugeben, nein wir können die Transzendenz über die physische Erfahrung erlangen.
In den meisten Berufen befinden sich die Menschen den ganzen Tag über ausschließlich in ihrem Kopf. Es müssen rationale Entscheidungen getroffen werden, Kalkulationen angestellt werden oder Dinge in den Computer eingetippt werden. Der moderne Mensch lebt so sehr in seinem Kopf, dass er es oftmals schon als „ normal“ ansieht mit bestimmten körperlichen Gebrechen kämpfen zu müssen. Es ist ein bisschen wie eine Abspaltung von dem Physischen, weswegen die Gebrechen dann auch gar nicht mehr als so schlimm wahrgenommen werden. Die Fähigkeit sich selbst im eigenen Körper zu erleben oder gar lustvoll zu erleben schrumpft auf ein Minimum.
Insofern ich den Menschen ganzheitlich betrachte, bin ich absolut von der Bedeutsamkeit des Tantra in der heutigen Zeit überzeugt. Und dabei geht es ja nicht nicht erster Linien um sexuelle Praktiken, sondern vor allem darum sinnlich zu sein. Sich als Mensch im eigenen Körper wieder zu Hause zu fühlen. Die eigenen Sinne wieder lustvoll zu gebrauchen. Einen schönen Duft zu schnuppern oder verschiedene Materialien auf der Haut zu spüren.
In fast jeder gutgehenden Ergopraxis findet man ein „Linsenbad“ . Darunter kann man sich eine Wanne oder ein Holzkasten vorstellen, welche bis zum Rand gefüllt sind mit Linsen. Die Kinder lernen hier im Rahmen der sensorischen Integration, die taktilen Reize auf der Haut sinnvoll in ihrer Wahrnehmung zu organisieren.
Ich liebe diese Linsenbäder!
Warum gibt es diese Dinger nicht für Erwachsene? Schlamm, Wasser, grobe Materialien und feine Stoffe… es gibt so viel womit man die Sinne ansprechen kann. Und es ist so einseitig und langweilig auf Dauer sein ganzes Leben nur im Kopf zu verbringen.
Aus diesem Grund finde ich es gut die Sinnlichkeit im Yoga in den Vordergrund zu stellen. Den Windzug auf der Haut und die Beschaffenheit der Kleidung zu spüren, bevor die Sinne sich dann nach Innen richten und den feineren Empfindungen im Körper, wie dem Atem und dem Herzschlag, zuwenden.
Sich lustvoll und freudvoll in der Bewegung zu erleben erzeugt Verbindung. Alle Aspekte des Seins dürfen wieder miteinander verschmelzen. Aus dieser Integrität heraus auf einen Partner zu treffen und mit ihm gemeinsam lustvoll zu explorieren…da entsteht wahre Verbindung. Nicht mehr und nicht weniger ist Tantra. Es geht um die Verbindung.
Und darum geht es ja sicherlich auch bei Tinder – nur das man da eine sehr geringe sinnliche Erfahrungsebene bei der Wahl des Partners hat.
Egal ob du Tinder nutzt, oder lieber auf andere Weise einen Partner kennenlernen willst. Wichtig sind die folgenden Fragen:
- Wieviel Nähe suchst du?
- Welche Art von Beziehungen und Verbindungen suchst du, und befriedigt dich das was du da bekommst?
- An welchen Stellen geht es darum, dass du eine liebevolle Verbindung zu dir selbst aufbaust, bevor du im Außen nach Nähe und Bestätigung suchst?
Bildquelle: Flickr
„Der moderne Mensch lebt so sehr in seinem Kopf“ – wie wahr! Alles braucht Erklärungen, Argumente, Fakten, Mehrwerte. In diesem Zusammenhang liebe ich den Spruch: Hör (häufiger mal) auf dein Herz, es hat schon geschlagen, bevor du denken konntest.
Die letzte Frage deines Artikels finde ich besonders stark!
Liebe Grüße
Anna
Liebe Anna,
klasse Spruch! Vielen Dank dafür 🙂
liebe Grüße
Milena